

L A U D A T I O N E S
Liane Thau
Claus Knobel wurde 1953 in Friedrichshafen geboren, wo er auch aufwuchs. Schon als 10jähriger begann er mit Bodenseemotiven und Porträts in Aquarell und Öl. Kunst war das, was ihn in der Schule wirklich interessierte. Nach einer Lehre zum Dekorateur und Plakatmaler, studierte er in Köln an der Werkkunstschule Malerei und Anatomie.
Ebenso große Bedeutung hat für ihn das, was er beim Studium der großen Meister in den Museen gelernt hat - das Spektrum reicht von Poussin bis Degas, von Cezanne bis Horst Jantzen.
Von 1993-95 hatte er Gastprofessuren an der "Catholic University of America School of Architecture" auf Stromboli und auf Capri inne.
Er konnte sich durch zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen in der Kunstszene einen Namen machen.
Claus Knobel lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Köln.
"Stille Klänge - Laute Weise" ist der Titel dieser Ausstellung, meine Damen und Herren - lassen sie mich die Intensionen des Künstlers zu diesem gegensätzlichen Paar kurz anreißen:
Das innere Auge als malerische Strategie steht Landschaften gegenüber, die ihr Inneres nach Außen tragen.
Tiefe Empfindungen und Überlegungen werden z.T. mit Drahtbürste und Schleifmaschine umgesetzt.
Echtes Leben verwandelt sich in stilles Leben und umgekehrt.
Gewähltes Material konkurriert mit Zufallselementen.
Die Portraits atmen psychische Intimität, zeigen aber auch die Melancholie des Vergänglichen.
Ob das alte Europa oder entfernte Kontinente, den Maler Claus Knobel zieht es hinaus in die Welt, ihn interessieren Natur, Landschaft und die Menschen, die darin leben. Auf seinen meist dreimonatigen Motorradgespann-Reisen taucht er mit seinem ganzen Wesen, mit Leib und Seele in die bereisten Länder und damit in einen vielschichtigen Prozess ein.
Alleine oder mit seiner Frau durchquert er Landschaften oft sehr nahe an der Natur, auf wenig befahrenen Pfaden und in abseitigen Gebieten. Kälte und Hitze spüren, Staub und Schlaglöcher ertragen, im Zelt nächtigen und sich das Essen am offenen Feuer zubereiten ist dabei genau so alltäglich wie die Begegnung mit der Tierwelt des jeweiligen Landes. Er sieht sich aber in großen Städten eben so um wie in abgelegenen Tälern, auf Bergen und in Wüsten.
Für jede Schaffensphase, die ein Land oder ein Thema behandelt, entwickelt Claus Knobel eine eigene Gestaltungsweise, die ihm für Inhalt und Aussage angemessen erscheint. Das geschieht nicht von einem Tag auf den anderen - Schritt für Schritt entwickelt er Malstrategien, die selbst eine lang gediente Kunsthistorikerin überraschen.
Und immer ist „Vielschichtigkeit“ das Leitmotiv seines Gestaltungswillens – sowohl inhaltlich als auch formal.
Die Bilder seiner 3 Australienreisen, die er zwischen 2003 und 9 unternommen hat und bei denen er insgesamt 32 Wochen den Kontinent bereist hat, diese Gemälde bilden seitdem den Schwerpunkt seiner Arbeit.
Sie beginnt mit landschaftlichen Impressionen, die weitgehend abstrahiert sind. Landschaftsmotive wie Berge, Wüsten oder Gewässer mit weiten atmosphärischen Farbräumen, geometrisierende Elemente mit ganz realistischen Details zu vielschichtigen Erinnerungen an große Landschaftserlebnisse.
Claus Knobel beschäftigt die Komposition auf der Bildfläche, das Spannungsverhältnis zwischen oben und unten, Himmel und Erde, zwischen Schwebenden und Lastenden, Licht und Schatten. Er lotet das Gewicht der Farbwerte aus und so sind diese Landschaften auch autonome, vom Motiv unabhängige Farbräume.
Dass ein leidenschaftlicher Experimentierer wie Claus Knobel den kreativen Zufall immer als Gestalter mitagieren lässt, zeigt sich in der Verwendung unterschiedlichster Materialien, im Risiko, dass er eingeht wenn er Chemikalien und Farben miteinander reagieren lässt, wenn er mit Farbe nicht geizt und ein verschwenderisches Impasto der Materie zu Ehren veranstaltet.
Die Leinwände, die der Künstler auch selbst aufzieht und grundiert, wurden vor dem Bemalen mit Stoff, Leder und Nähten, mit Papieren und Pasten in Materialcollagen verwandelt, die auch ohne Farbe schon landschaftliche Kompositionen darstellen würden.
Bei diesen Gemälden verwendet Claus Knobel dann auch erstmals partiell eine Technik, die seine Bilder nach der vorläufig letzten Australienreise bestimmt.
Was in den abstrakten Arbeiten nur als Einsprengsel vorkommt, ist dort die durchgängige Gestaltungsweise.
Die Seidengemälde Claus Knobels entstehen in einem äußerst komplizierten und aufwändigen Verfahren, das nichts mit herkömmlicher Seidenmalerei zu tun hat und bei größeren Bildern einen Zeitraum von ca. 2 Monaten in Anspruch nimmt.
Grundlage ist wieder eine mehrmals grundierte und geschliffene Leinwand. Auf dieser entwickelt der Künstler mit Bleistift oder Kugelschreiber bordürenartige Ornamente, die aus dem Bauch heraus spontan entstehen und vegetabile oder anatomische Elemente enthalten aber auch ganz abstrakt sein können. Fast wie beim automatischen Zeichnen der Surrealisten lässt er Hand und Stift gewähren, während seine Gedanken das Thema umkreisen. Schriftblöcke, die eigene Überlegungen oder wissenschaftliche Texte zum Thema zitieren, ergänzen diese Zeichnungen.
In den Entstehungsprozess bezieht er Digitalfotografie und digitale 3D-Programme als inspirierende Arbeitsergänzung ein. Eigenhändige Fotos von seinen Reisen bearbeitet er am PC, wobei er sie verändert, indem er z.B. am PC zeichnet oder Größenverhältnisse oder Szenerien modifiziert um seinen Interpretationen Ausdruck zu verleihen - Gestaltung ist ja immer ein Kommentar zur erlebten Wirklichkeit.
Der erarbeitete Entwurf wird in Partien auf etwa 20 cm breite, feine Seidenbänder übertragen, die mit einer Acrylharzlösung behandelt wurden. Das verleiht ihnen eine gewisse Festigkeit und eine nahezu vollkommene Durchsichtigkeit. Die Seide wird mit Acrylharz auf die Leinwand aufgebracht. Wie bei der Freskomalerei, die eine Bearbeitungsdauer von einem Tagwerk erlaubt, ist Claus Knobel dann an einen Zeitraum von 24 Stunden gebunden. Die Farbe muss in dieser Zeit ganz dünn auf die Seide aufgetragen werden, danach können sich die Substanzen nicht mehr verbinden. Mit Airbrush, Pinsel, Stiften, Schwämmen und Lappen wird der Entwurf immer mehr verdichtet bis schließlich 4 bis 6 Schichten bemalter Seide durch Überlagerung zu einem Bild verschmelzen.
Auf diese Weise gestaltete er Portraits der Aborigines, Bilder ihrer Lebensräume und Stadtszenen.
Es gelang ihm, was den meisten Besuchern Australiens nicht geling - er kam auf eine sehr respektvolle und leise Art mit den Aborigines ins Gespräch. Besonders nachhaltig hat ihn der Besuch in einem Heim für gebrechliche Alte beeindruckt. Diese alten, oft blinden Ureinwohner hat er in den Porträts dargestellt - in der Seidentechnik, die ich gerade geschildert habe.
Die Gestaltung in grauen Farbtönen erinnert einerseits an die Grissaillemalerei, wie sie Giotto erstmals am Anfang des 14. Jahrhunderts verwendet hat, um Heilige darzustellen. Andererseits denkt man natürlich an eine Schwarz-Weiß-Fotographie. Beides ist in diese grautönigen Gemälde eingegangen - so vermittelt die Grisaille eine besondere Distanz und Würde, die nostalgische Schwarz-Weiß-Fotografie gemahnt an die Vergänglichkeit, verleiht diesen Menschen aber auch einen Hauch von Zeitlosigkeit.
Claus Knobel, dessen Philosophie es ist, mehr Vermittler als Kritiker zu sein, lieber das Positive aufzuzeigen als das Destruktive und allem so weit als möglich seine Würde zu lassen, hatte noch einen weiteren Grund: Indem er die dunkle Hautfarbe der Aborigines durch das Grau verbirgt, schönt er die extremen Altersspuren, die diese Menschen aufwiesen, lässt eine Spur besserer Tage aufleuchten und rückt sie näher an die weiße Bevölkerung, von der sie ja in der Realität immer noch ein tiefer Graben spaltet. Claus Knobel sucht auch hier das Verbindende, nicht das Trennende.
Eine besondere Ästhetik verleiht diesen Bildnissen auch die leichte, perlmutartige Unschärfe, die durch die Seidenschichttechnik entsteht.
Diese Gestaltung macht auch die Stadtbilder zugleich realistisch und irreal, anschaulich und poetisch.
Unterschiedlichste Szenarien hat Claus Knobel festgehalten: da gibt es die Rückenfigur eines Bankers, der mit dem Handy am Ohr ein Bankgebäude durcheilt, das hoheitlich wie ein Kirchenraum erscheint. Dieses sakrale Aufstreben mit den Säulen als Würdezeichen hat der Künstler übersteigert um es sichtbar zu machen. In ähnlicher Weise stellt er "Drei Banker" in einen Raum von pharaonischen Dimensionen, dessen Glanz die drei Männer wie Wasser widerspiegelt.
Der Künstler lässt uns in Lokale schauen, wie die "Pink-Bar", wo er eine typische Barmann-Gastsituation inszeniert.
Wir blicken durch ein Fenster in eine Roadhouseküche, wo eine Aborige -Frau arbeitet.
Wir sehen einen Ureinwohner beim Biliardspiel, während sich die Skyline von Sidney im Fenster spiegelt und für den Mann in doppeltem Sinn den Hintergrund bildet.
Wir begleiten eine Frau zum Juwelier - fast wie eine Erscheinung schwebt sie ins Bild und berührt nur mit einem Bein den Boden. "Juwelierengel in Melbourne" ist dann auch der treffende Titel.
Claus Knobel macht aber auch Details bildwürdig und spannend: da gibt es z. B. das Cockpit eines alten Flugzeugs der "Flying Doctors". Er verleiht ihm eine ästhetische Aura, die auf leise Art auch diese segensreiche Einrichtung feiert.
Das große Bild hier in der Mitte mit dem Titel "Aborigines im Arnhemland" zeigt eine typisch australische Szene. Eine Aborige-Familie hat sich vor einem Roadhouse niedergelassen um zu essen. Sie betreten das Lokal oft nur zum Einkaufen und setzen sich anschließend draußen nieder. Claus Knobel hat daraus eine vielschichtige Szene gemacht. Wir sehen durch ein virtuelles Fenster ins schemenhaft blaue Innere der Gaststätte. Die Menschen draußen haben ganz unterschiedliche Wirklichkeitsstufen, die Kinder rechts realistisch, auch noch die Personen am Boden und im Stuhl, während die beiden Personen links wie Silouhetten im Gegenlicht erscheinen. Die Wand löst sich auf, Innenraum und Außenraum verschwimmen. Damit wird nochmals die Stellung der Ureinwohner in der Gesellschaft markiert - oft sind sie noch draußen vor der Tür, die Integration in die Gesellschaft wird aber voran schreiten -- mit welchen Folgen auch immer!
ach der Vollendung, überzieht Claus Knobel die Gemälde mit glänzendem Firnis auf Acrylharzbasis. Er entscheidet sich ganz bewusst für diese glänzende Oberfläche und verbindet so das gemalte Licht mit dem reflektierenden realen Licht und die gemalte Szenerie mit den sich darin spiegelnden Betrachtern.
Bei all diesen Gemälden schimmern durch die Seidenschichten die vieldeutigen Zeichnungen, die der Künstler als erstes auf die Leinwand setzt. In ihrer rätselhaften Anmutung erinnern sie an ein Palimpsest, also an ein antikes, mehrmals überschriebenes Manuskript. Aber sie verweisen auch auf die vielschichtige Felsenmalerei der Aborigines. Es sind also wieder Strukturen unter der Oberfläche, die auf das Vergangene, das Unbewusste und Verdrängte hindeuten.
Hier verweist Claus Knobel auf einen grundlegenden Unterschied zwischen der westlichen Welt, die so sehr auf die Oberfläche und auf den schönen Schein fixiert ist, und den Aborigines, die in sich und ihrem Glauben ruhen, die wissen woher sie kommen und wohin sie gehen werden - jedenfalls diejenigen, die noch traditionell leben und weder vom westlichen Einfluss angekränkelt noch vom Alkohol zerstört sind - auch das ein Danaergeschenk des weißen Mannes, das so viele indigene Völker zerrüttet hat. Da wir hier kein ethnologisches Seminar sind, möchte ich es bei diesen Gedankensplittern belassen. Viel weitergehende Überlegungen und Erfahrungen hat der Künstler in sein komplexes Bildvokabular übertragen.
Nicht unerwähnt lassen, möchte ich auch die kleinen Formate. Sie sind mit der gleichen aufwendigen Technik wie die großen auf schwerem Büttenpapier gearbeitet! Da reiht sich wirklich ein Kabinettstückchen an das andere.
Claus Knobel entwirft Kompositionen, die zwischen dem Land der Aborigines und der Terra Australis der Weißen oszillieren, die von den Lebensverhältnissen dort erzählen, aber den europäischen Blick nicht verleugnen.
Sie erheben nicht den Anspruch auf Objektivität oder Vollständigkeit, sondern betonen die subjektive Sicht des Künstlers und seine Sympathie für die Ureinwohner dieses Kontinents, die für uns Europäer vielleicht Immer ein wenig fremd bleiben werden.
So sind in doppeltem Sinne Seelenlandschaften entstanden, Seelenlandschaften, in die die Befindlichkeit des bereisten Landes ebenso einging wie die Empfindungen des Reisenden.
Jeder Pinselstrich, den Claus Knobel aufträgt, und jede Form, die daraus entsteht, ist eine Momentaufnahme und eine spontane Entscheidung, die einen Augenblick oder einen Tag später durch die nächste ergänzt wird.
Es geht ihm um Einklang, um sichtbare Schönheit aber auch um die Struktur und die Geschichte unter der Oberfläche.
Was ihn antreibt ist das, was im Konfuzianismus mit Zhong Yung umschrieben wird: der Weg, der in der Mitte zwischen undurchführbaren Extremen liegt. Für Claus Knobel ist der Weg wirklich das Ziel.
Copyright:
Liane Thau M.A.
Kunsthistorikerin
kunstkraempel@web.de